Artist’z Pub International! / Komfort-Zone-Kwer!, 2015

ARTIST´Z PUB INTERNATIONAL!
Installation / Ausstellung im Kunstverein PAK – Palais für aktuelle Kunst, Glückstadt / bei Hamburg

Speziell für das Palais für Aktuelle Kunst hat Bageritz eine raumübergreifende Installation geschaffen, die sich auf das Phänomen der Künstlerkneipe
bezieht und nachfolgende Inspirationen erfuhr:

1988, noch zur Zeit des real existierenden Sozialismus, trifft Bageritz während des Ausflug nach Bageritz… (s.o.) im gleichnamigen Ort auf die (Original-DDR) Gaststätte Bageritz und hält photographisch fest, was 1992 – als Anlaufstelle für die wenigen Dorfbewohner, samt Kneipen- & Brauereischild – schon längst wieder verschwunden war: Die skurrile Inneneinrichtung mit selbstgezimmerter Theke und dahinter agierendem Wirt, die übersichtliche Auswahl an Getränkesorten, die mit Schreibmaschine verfasste Knoblerordnung (v. 26.1.1987) mit sorgsam aufgereihter Namensliste, golden eingerahmt hinter Glas und von Bageritz für 10.- DM erworben, und die anwesenden Gäste …

1989 läßt Bageritz in einer Bildmontage die aus zwei Perspektiven abphotographierte Außenfront der Gaststätte zu einer Parallelansicht verschmelzen und schafft so einen eigenen fiktiven Ort: Bageritz & Bageritz , zwei gegenüberliegende Pole einer doppelbödigen Fake-Wirklichkeit (ähnlich dem später entstandenen Konzept der doppelten Paris-Bar in Berlin.) Farbige spinnennetzartige Silikonfäden mit scheinbar sich darin verfangenden DDR-Aluminium-Münzen überlagern das abschirmende Plexiglas mit darunter liegender Photographie. (Abbildungen hierzu in „Kunst und Geld / Eine Bilanz zum Jahrtausendwechsel“, von Jürgen Raap, Magazin „Kunstforum International“, Bd. 149, 2000, sowie Live-Shot-Museum: Zone Bageritz inklusiv Wahrheit & Wahrheit – als Privatflug von Mitte auf Auge , Sammlung Heinrich Mies, Katalog Museum Ludwig, Köln, S. 53 – S. 59, 2000).

Im Jahr 2011 stößt Bageritz durch Zufall auf eine automatisch generierte Internet-Information, seinen Buch-Verleger betreffend, den Kunstsammler und Antiquar Constantin Post: ( Bageritz – 11 Jahre Ehrenstraße & Umgebung , Hrsg. Stadtmuseum Köln / Verlag Constantin Post, fast 400 Seiten, durchweg farbig, 1995).
Unter der Headline „Artist´s Pub“ manifestiert sich hier eine Riege namhafter Künstler, die Constantin Post seit den frühen 70er Jahren durch die Publikation exquisiter Editionen, Künstlerbücher und anderer Veröffentlichungen unterstützt und gefördert hat. Ein Computerausdruck dieses gefundenen Dokuments dient Bageritz in Folge als Material für eine seiner China-Bild-Collagen: Am Anfang war Diebstahl (Theorie & Praxis) , Digitalprint, Silikon, Transparentfolie auf Zhang Xiaogang-Kopie, Öl auf Leinwand, Massenprodukt eines anonymen chinesischen Malers, Maße: 60 x 70 cm, 2012.

Den altgedienten Geist der klassischen Künstlerkneipe beschwört Bageritz herauf und erschafft – eben in Theorie & Praxis – ein Monument voller Erinnerungen, an so klangvolle Namen wie die La Paloma Bar in Hamburg (mitsamt der eigenen, im Jahr 1985 durchgeführten Aktion Cologne-Prost-i-tut-es in und vor der Ruine des Star-Club auf der Großen Freiheit) und der legendären Paris-Bar oder der so vielen anderen Orte im Köln der wilden 80er / 90er Jahre. Exemplarisch das Café-/Hotel Central , Chin´s , EWG , Hammerstein´s , Königswasser , Pink Champaigne , Six-Pack und wie sie sonst noch hießen – allen voran aber das Café Broadway , nebst Kino in der Ehrenstraße. Hier zirkulierte „mehr kulturelles Kapital als irgendwo anders in der Stadt.“ Das Haus sei ein „geistiger und kultureller Knotenpunkt“, in jenem „Dreieck zwischen den Buchhandlungen Bittner und König“, so Helge Malchow, Verleger bei Kiepenheuer & Witsch, Kölner-Stadtanzeiger, 2001.

Innerhalb der Multimedia-Installation im Palais für aktuelle Kunst bewegt sich der Rezipient durch einen Parcours von 7 mit Bageritz-Slogans bedruckten Liegestühlen (aus der Serie Praktische Skulpturen zum Wegstellen ), 3 farbverändernden Party-Beleuchtungskugeln Sieg/Satt/Sense sowie den Grundgeräuschen der Ehrenstraße – der CD mit Booklet inklusiv s/w-Photoshot: Benjamin Katz, der Photokünstler und Nachbar aus der Ehrenstraße.
Kakophonisch dazu der Originalklang der weltweiten Künstler-Anrufbeantworter-Aktion The Name-Dropping-Number , den Baggerhit´s (der 90er) plus Wiedergutmachungsmusik als Sounds of Reparation feat. Jane Birkin (der frühen!) in 45 revolutions per minute sowie dem Video via YouTube: The Magic Moment , unterlegt mit dem „Chinese Blues“ von George Gershwin aus dem Jahr 1916, anläßlich der Pakat-Aktion Show Me The Way To Ai Weiwei.

Und Bilder über Bilder – integriert in einem Konstrukt des Künstlers, einem Umschlagplatz seines eigenen Kosmos, einem Remix aus vorangegangenen und neuen Arbeiten. Bageritz nimmt Bezug auf bestimmte Langzeit-Serien wie seinen Stolen Objects , Das Prinzip Wiedergutmachung oder die Re-Collagen (Schnittbilder, die hintergründiges nach außen transportieren – im wahrsten Sinne – und das Ganze in einem Verfahren des re- & upcyclings als Gedicht resp. neue Ikone entlassen), wandüberspannend die 2015er-Variante des Artist´s Pub Bageritz & Bageritz , vergrößert als 3×4 Meter Photoprint und Basis für eine Petersburger Salonhängung . Denn alles gehört bei Bageritz ( Ich bin die Idee der Idee ) zusammen, ist dicht verwoben, korrespondiert, kommuniziert – und der Gast befindet sich mittendrin in einem Zitatenwald für Kunstkenner und die, die es werden wollen. Tracey Emin trifft hier auf Helene Hegemann, Yoko Ono auf Louise Bourgeois, Al Hansen auf Martin Kippenberger, Richard Prince auf Andy Warhol, Michel Houellbecq auf Kriwet, Cosima von Bonin auf DJ Koze, Georg Baselitz auf Bageritz, usw. usf. …

© Fernand Sellefs / Phantomkünstler / Rotterdam – Berlin / 2015

Die Installation wurde gefördert durch:
PAK – Palais für aktuelle Kunst, Glückstadt
Megalab, Köln
WIWA-International-Media-Retailer, Köln
Erotic-Boutique APL, Heerlen, NL