Das Prinzip Wiedergutmachung

BAGERITZ® / Corporate Identity – revisited

Zur Ausstellung von BAGERITZ® im Kölnischen Stadtmuseum 1995 ist eine umfangreiche Publikation erschienen, fast 400 Seiten, durchweg farbig, ein bißchen wie ein (freilich aufwendiger) Versandkatalog und vor allem im Format und Mächtigkeit an die Fachzeitschrift „Kunstforum“ erinnernd: ein Katalog also, mit dem BAGERITZ® das eigene Metier und Medium hinterfragt, sich der Strategien der Warenwelt bedient, diese umkodiert, so wie er sie in seinen Arbeiten selbst wieder erweckt…

Im Atelier an der Eupener Straße lehnen, hängen die Werkgruppen nebeneinander, mit Abstand; deutlich wird, daß alles zusammengehört, dicht verwoben ist. BAGERITZ® verwendet „trashige“ Erscheinungsweisen, er nimmt Headlines und Logos auf, die in unserer Wahrnehmung bereits Selbstverständlichkeit besitzen, und integriert dises collagenhaft. Ebenso löscht er aus, verdeckt oder isoliert Informationen: „Metaphysik des Verschwindens“ heißt die Ausstellung, die derzeit im Gothaer Kunstforum zu sehen ist. Aktuell sind die LENTICULARS (2-phasige Wechselbilder), die von gestohlenen Kunstwerken ausgehen, welche im Art-Loss-Register erfaßt sind: mit einem (meist amateurhaften) erkennungsdienlichen Photo, darüber sachlich, dokumentarisch Stichworte in direkter Übernahme aus dem Register. Je nach Betrachterposition ist mal die eine, mal die andere Ebene zu sehen. Der Vorgang des Verschwindens und möglichen Auftauchens wird bildhaft, zugleich fragil rekonstruiert. „Die Ebenen der Wirklichkeit, Authentizität, Reproduzierbarkeit, Materialität und Identität von Kunst verflüssigen sich und bilden ein Verwirrspiel zwischen Evokation und verweigertem Zugriff“ (U.S., Pressetext).

BAGERITZ®, der 1958 in Köln geboren wurde, seit jeher die Biographie in die Arbeit einfließen läßt und mit seinem Namen Wortspiele anzettelt, diesen gleichsam als Label versteht, wird 1989 einem größeren Publikum bekannt: mit der Werkfolge „Der Ausflug nach Bageritz mit Abstecher nach Baselitz“ in einer Förderkoje auf der ART Cologne. Die deutsch-deutsche Geschichte und das eigene Lebensumfeld – z.B. die Ehrenstraße in Köln – sind in diesen Jahren Thema und Motiv seiner Photos, Photomontagen, Malereien und der Aktionen, die er zum Teil mit Künstlerkollegen durchführt. In der zweiten Hälfte der achtziger Jahre gründet er das BUEROFUEROEFFENTLICHKEITSARBEIT und nutzt sein Lager in der Brinkgasse als Ausstellungsraum. Das Aktionistische, das zwischen anonymem und namentlichem Eingriff in den Alltag die Tradition von Happening und Fluxus anklingen läßt, kennzeichnet bis heute BAGERITZ®`Arbeit. Die STOLEN OBJECTS, selbstironisch DIE AUFRICHTIGKEIT DES KUENSTLERS AM ENDE DES 20. JAHRHUNDERTS beschrieben, entstehen seit 1991. „Dem Rezipienten wird der Konsum in seinen abstrusesten Auswüchsen in ironischer, bissiger Neo-Dada-Manier vor Augen gehalten“, schreibt Peter V. Brinkemper (Typ., 2001). Die -Stolen Objects- sind – ohne jede Konsumabsicht – aus dem Supermarkt mitgenommen worden und, zu unterschiedlichen Konstellationen arrangiert, dem Werk von BAGERITZ® einverleibt worden. Hierzu gehören auch die Straßenpoller, die Bageritz aus dem Stadtbild entfernt, teils bearbeitet und schließlich als plastische Objekte ausgestellt hat. Und er photographiert Läden, Schaufenster, Autos, in die eingebrochen wurde. Die Absenz der Dinge wird zur Vorraussetzung für das Kunstwerk. Dann wieder hat er eine CD mit den GRUNDGERAEUSCHEN DER EHRENSTRASSE zusammengestellt. Nichts ist ausgeschlossen, was das alltägliche urbane Geschehen zur Verfügung stellt, wie es dort, häufig den Prinzipien von Konsum und Vermarktung folgend, formuliert ist. „Die einzigen guten Nachrichten“, notiert BAGERITZ®, „werden in Zukunft aus der Werbung kommen!“

© Thomas Hirsch, >choices – Kino/Kultur/Köln, Magazin<,Mai 2002